Agra oder wie wir übers Ohr gehauen wurden

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In den Gassen Agras*
In den Gassen Agras*

Warum Indien? Natürlich, weil Indien ein interessantes Reiseziel ist. Der eigentliche Grund ist mein MBA Studium und der damit verbundene obligatorische Auslandsaufendhalt in Bangalore. Ich habe eine Menge Impfungen über mich ergehen lassen und den Flug musste ich auch selber zahlen, also warum nicht das Land außerhalb von Besprechungs- und Schulungsräumen kennenlernen? So schließt sich gleich die nächste Frage an – "Und das alles mit Familie?" Nein – natürlich nicht, denn die beiden sind auf Heimaturlaub nach Dresden gefahren, um sich dort fünf Wochen verwöhnen zu lassen. Eine tolle Ehefrau, die so was mitmacht und wie sich herausgestellt hat eine Win-Win Situation für alle. Nichtsdestotrotz hatte ich in der Ferne permanent ein schlechtes Gewissen.

Genug der Vorrede. Obwohl Indien nicht wirklich planbar sein soll, habe ich es doch gewagt zu planen und es mit einigem Aufwand sogar geschafft, indische Bahntickets online (ohne indisches Handy) zu buchen.

Die Wäsche wird im Fluss gewaschen*
Die Wäsche wird im Fluss gewaschen*
Familienkutsche mit Kind und Kegel (ähm Affe)
Familienkutsche mit Kind und Kegel (ähm Affe)

Am Flughafen in Delhi wollte uns ein freundlicher Taxifahrer für nur 60 Euro direkt bis in die Stadt fahren, weil die Metro nicht fuhr. Laut Internet gab‘s eine Metro, die aber in Wirklichkeit noch nicht fertig war. Wir entschieden uns dann doch für den Bus, der nur ca. 1 Euro kostete. Der Bus hatte eine Klimaanlage und wir beide bekamen somit noch 30 min Aufschub vor der Sauna.

An der New Delhi Train Station war der Teufel los. Überall Dreck, Müll, Leute, Hitze, Gestank und alle wollten plötzlich was von uns. Wo war der Eingang? Wo Schatten? Wo der Zug nach Agra? Wo eine lesbare Anzeigetafel? Ein vermeintlicher "Bahnmitarbeiter" erklärte uns, dass unser Zug aufgrund von Regenfällen ca. 8h Verspätung haben werde. Da wir aber noch Zeit hätten, könnten wir auch einfach einen früheren Zug nehmen. Zur Umbuchung müssten wir jedoch ins Touristenbüro der Bahn fahren. Warum können wir das nicht direkt am Bahnhof machen? Er besorgte uns eine Rikscha und schon waren wir am Bahntouristenbüro ein paar Kilometer entfernt. Es stellte sich heraus, dass der frühere Zug bereits ausgebucht war, spätere Züge auch und Züge zu anderen Zielen sowieso. Ein Anruf bei der staatlichen Busgesellschaft ergab, dass sogar die Busse in alle Richtungen für die nächsten Tage voll waren. Was nun? Sollte unser Plan schon gleich am ersten Tag scheitern? Er bot uns an mit dem Taxi nach Agra zu fahren – 230 km für 110 Euro. Wir überlegten. Irgendwie ging uns dass alles zu schnell. Warum ist hier alles voll? Wir waren müde und fühlten uns unter Druck gesetzt, aber wenn wir schon am ersten Tag alles über den Haufen werfen, dann gehen die ganzen 3 Wochen nicht so recht auf. Wir legten die 7500 Rupien auf den Tisch und stiegen ins Taxi.

Taj Mahal von Mehtab Bath vor Sonnenaufgang
Taj Mahal von Mehtab Bath vor Sonnenaufgang
Das Taj Mahal am Vormittag
Das Taj Mahal am Vormittag

Im Taxi schliefen wir beide jeweils 1-2 Stunden. Der Taxifahrer war recht gesprächig, aber schwer zu verstehen. Auf den Straßen war die Hölle los. Nach 6 Stunden erreichten wir Agra. Unser gebuchtes Hotel am Red Fort war schwer zu finden und umgeben vom größten Slum in Agra. Überall war Dreck, Hitze, Menschen, Kühe, Affen, Hunde, Lärm, Leute, die auf der Straße schliefen und an die Mauern pinkelten. Von Fleischern wurden Tiere zerstückelt. Die Luft war so stickig, so dass man kaum atmen konnte. Ich wünschte mir einfach kehrt zu machen und im teuersten Hotel der Stadt zu verschwinden, aber es war genau das Hotel und der Ort, den wir gebucht hatten. Von innen war das Hotel angenehm und sauber. Am Abend wagten wir uns noch ein Stück heraus und liefen durch den Slum. Wir wurden angestarrt, aber nichts passierte. Der Körper und alle Sinne waren angespannt. Indien überfuhr uns mit einer Dampfwalze. Der erste Reflex sagt: Fliehe! Versteck Dich! Bring Dich in Sicherheit! Durchatmen und weiterlaufen.

Unsere erste Fahrradrikschafahrt*
Unsere erste Fahrradrikschafahrt*
Prachtvolle Empfangshalle im Red Fort
Prachtvolle Empfangshalle im Red Fort
Das Red Fort wie aus 1001 Nacht
Das Red Fort wie aus 1001 Nacht

Nach einer erholsamen Nacht standen wir am nächsten Morgen noch vor dem Sonnenaufgang auf, um mit der Rikscha auf der andere Seite des Flusses in die Mehtab Bath Gärten zu fahren und uns den typischen nebelumwobenen Sonnenaufgang am Taj Mahal anzusehen. Die Fahrt in einer Rikscha mit 7 Gästen war abenteuerlich! Die Mehtab Bath Gärten lagen komplett im Nebel. Die Temperaturen lagen bereits 6 Uhr morgens bei über 30°C und wir waren sofort durchgeschwitzt. Durch den Nebel konnten wir schemenhaft das Taj Mahal erkennen. Langsam wurde es heller, die Sonnescheibe war zu erahnen und das Taj Mahal nur geringfügig besser wahrzunehmen. Im Anschluss besuchten wir das Taj Mahal. Das Grabmal war beeindruckend. Groß und ganz aus weißem Marmor. In den Parkanlagen waren unzählige Gäste, aber auch viele Papageien.

Säulenhalle mit Ausblick
Säulenhalle mit Ausblick

Mit einer Fahrradrikscha fuhren wir zum Red Fort – dem größten und bedeutendsten Red Fort in Indien. Das Fort war deutlich interessanter als das Taj Mahal. Es gab viel zu entdecken und die Ausblicke über die Stadt sind toll. Das Taj Mahal ist genau das, was man von allen Fotos kennt.

In Agra am Bahnhof bot man uns ohne Verhandlung eine Taxifahrt nach Delhi für 3000 Rupien an. Langsam stieg in uns das Gefühl auf, dass wir ordentlich betrogen wurden. Die Zugfahrt in der Sleeper Class war sehr angenehm.

Unsere Reiseroute in Indien (1)
Unsere Reiseroute in Indien (1)
Öffentlicher Personennahverkehr auf Indisch
Öffentlicher Personennahverkehr auf Indisch
Der Eingang zum Red Fort
Der Eingang zum Red Fort
Geschafft - Endlich im Zug zurück nach Delhi*
Geschafft - Endlich im Zug zurück nach Delhi*
Stand: 24.10.2012, 05.05.2020 | Text: Camillo | Bilder: Camillo + Robert* | v7
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