Die Sieben Seen und das Rilakloster
Die Tage der Ruhe und Erholung an den Seen haben geholfen. Unsere Kräfte kehrten zurück und als wir auf dem Голям Полич / Großer Polich (2615 m) standen, konnten wir in der Ferne tatsächlich die Иван Вазов / Ivan Vazov Hütte (2300 m) ausmachen, die auf unserer Karte auch vorhanden war. Der Weg zur Hütte war weit und führte über endlose Almenwiesen hinab. An der Hütte, die wir am frühen Nachmittag erreicht hatten, trafen wir das erste Mal nach vier Tagen auf andere Wanderer (2 Holländer), die uns bestätigten, dass die Sieben Seen nicht mehr weit sind. Wir waren zurück in der Zivilisation. Nach einer ausgiebigen Mittagspause, folgten wir einen Weg (ja richtig, es gab richtige Wanderwege mit Beschilderung) hinauf auf den 2610 m hohen Раздела / Razdela Pass und konnten von dort 6 der 7 Seen überblicken, die sich wie glitzernde Edelsteine in Richtung Norden ausbreiteten.
Die Seen liegen auf einer Höhe zwischen 2100 und 2500 Meter und sind alle sehr unterschiedlich in Form und Größe. Im Sommer werden die Seen bis zu 10 °C warm und im Winter kann eine zwei Meter dicke Eisschicht die Seen bedecken. An den Sieben Seen waren wir nicht mehr allein und es gab andere Besucher. Wir fanden ein Stück abseits einen schönen Platz für unsere Zelte und erlebten am nächsten Morgen einen sehr schönen Sonnenaufgang.
Unser weiterer Weg führte uns am Freitag über einen ewig langen Abstieg über den Дамга/Вазов (2677 m) und Баучер / Boucher (2152 m) mehr als 1100 hart erkämpfte Höhenmeter direkt hinab ins Tal zum Rilakloster (1147 m).
Unsere Reise nahm abermals eine andere Wendung. Die Schönheit des Klosters konnte nicht durch das tragische Ereignis getrübt werden, dass einer unserer Mitreisenden vorzeitig zurück musste, weil er seinen Reisepass, wahrscheinlich im Bus kurz vor Sofia, verloren/vergessen hatte. Mit unzähligen Telefonanrufen kontaktierten wir das Busunternehmen und die deutsche Botschaft in Sofia mit dem Ergebnis, dass man ohne Pass bei einer Kontrolle als illegaler Einwanderer gilt. Hagen musste so schnell wie möglich zur deutschen Botschaft kommen, wo ihm am Montagvormittag ein vorläufiger Reisepass ausgestellt wird.
Mit dem Kloster sind wir wieder komplett in der Zivilisation zurück. Es gab einige Tagestouristen und noch wichtiger für uns, es gab im Kloster einen kleinen Buchladen, der eine sehr detaillierte Wanderkarte im Maßstab 1:55000 vom Rilagebirge verkaufte. Wir kauften uns sofort eine Karte und vollzogen unseren Querfeldeinmarsch der letzten Woche nach. So wie der Weg im Malyovitsa Rila gestrichelt war, tauchte auch wirklich der Weg immer mal wieder auf und verschwand wieder. Aufgrund der schlechten Karte und dem tatsächlichem Gelände vor Ort haben wir rückblickend viele Fehlentscheidungen getroffen und haben an mehreren Stellen eine unnötig schwere Route gewählt, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Entscheidung erst einmal einfacher und richtig schien.
Körperlich ging es uns wieder gut. Durchfall und Erbrechen waren bei allen vorbei und wir konnten unsere Klopapierbestände, die nach der letzten Woche komplett aufgebraucht waren, wieder auffüllen.
Unweit des Klosters gab es einen Zeltplatz, wo wir eine tolle Nacht mit deftigem bulgarischem Essen und Wein verbrachten. Am nächsten Morgen besichtigten wir das Rilakloster. Das orthodoxe Kloster wurde im 10. Jahrhundert gegründet und war der einzige Ort, der während der osmanisch-türkischen Besatzung nicht erobert wurde und Widerstand leistete. Das Kloster brannte 1832/33 bis auf den Chreljo-Verteidigungsturm komplett ab und wurde in der heutigen Form wieder aufgebaut. Im weiteren 19. Jahrhundert wurde das Kloster umfangreich malerisch ausgestaltet. Es gibt viel handwerkliches Geschick zu bewundern - angefangen von Holzarbeiten, Malerei, Ikonen und Fresken.