Die Zeit nach den Khmer Rouge

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Bis zum Rückflug am Abend war noch etwas Zeit, weshalb ich mich auf den Weg zum Tuol Sleng, dem berüchtigten Foltergefängnis S-21 der Roten Khmer, machte. In der ehemaligen Schule inhaftierten die Khmer Rouge von 1975 bis 1979 zwischen 14.000 und 20.000 Menschen. Die ehemaligen Klassenzimmer wurden in 1x2m kleine Zellen unterteilt. Auf dem gesamten Gelände fanden systematische Folter mit Elektroschocks und Waterboarding statt, um den Gefangenen Geständnisse abzupressen. Wurde ein Opfer inhaftiert, dann wurde meist die gesamte Familie mit gefangen genommen. Wer die Folter überstanden hatte, wurde auf die "Killing Fields" vor der Stadt erschlagen und in Massengräbern verscharrt. Unter Pol Pot gab es zwischen 1.4 und 2.2 Millionen Opfer - vor allem Beamte, Intellektuelle und buddhistische Mönche, die in den etwa 100 Vernichtungslagern gefoltert und hingerichtet wurden.

Ehemaliges Foltergefängnis S-21 Tuol Sleng.
Ehemaliges Foltergefängnis S-21 Tuol Sleng.
Spartanische Einrichtung in den ehemaligen Schulräumen.
Spartanische Einrichtung in den ehemaligen Schulräumen.
Regeln, denen die Gefangenen folgen mussten.
Regeln, denen die Gefangenen folgen mussten.

Die Besichtigung des Gefängnisses war sehr bedrückend und erinnert an ein Konzentrationslager. Es gab unzählige Schwarz/Weiß-Aufnahmen von den Opfern und von den Foltermethoden. Am Ende, als Kambodscha von Vietnam befreit wurde, lebten gerade noch 14 Gefangene im Tuol Sleng. Das Museum wurde kurze Zeit nach der Befreiung eröffnet und ist heute ein wichtiger Ort zum Verständnis des Grauens.

Unzählige Fotos der Gefolterten und Getöteten.
Unzählige Fotos der Gefolterten und Getöteten.
Mit Stacheldraht vergitterte Schulgebäude.
Mit Stacheldraht vergitterte Schulgebäude.
Einzelzellen auf 1x2m in den ehemaligen Schulräumen.
Einzelzellen auf 1x2m in den ehemaligen Schulräumen.

Nach der Befreiung von den Khmer Rouge wurden diese an die Grenze zu Thailand vertrieben, wo sie noch mehrere Jahre ihr Unwesen trieben, bevor diese dann ganz zerschlagen wurden. In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts fand nur eine langsame Aufarbeitung der Vergangenheit statt aus Furcht vor den teilweise immer noch aktiven alten Kadern und den teilweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Vicheka erzählte mir, dass man bis vor kurzem im Schulunterricht nichts über die Khmer Rouge Zeit erfahren hat. Ab den 2000ern Jahren geht es in Kambodscha langsam wieder bergauf. In Phnom Penh schießen die gläsernen Hochhaustürme in die Höhe, die Leute beginnen wieder an ihr Land zu glauben und wollen bei dem Aufbau und der weiteren Entwicklung mitwirken. Es fließen viele Investitionen ins Land und man hat eine richtige Aufbruchsstimmung gespürt.

Durch die Innenstadt von Phnom Penh.
Durch die Innenstadt von Phnom Penh.

Als ich mit Mike und Vicheka durch den dichten Verkehr radelten, haben wir auch ein bisschen über die heutige Situation in Kambodscha philosophiert und sind dabei auf eine erstaunliche Parallele zum chaotischen Verkehr gekommen: "You can’t control the flow, but the flow can’t control you.". Dieser eine Satz sagt aus, dass man nur schwer den Verkehr oder den Fluss der Dinge kontrollieren bzw. beeinflussen kann, aber auf der anderen Seite ist man auch nicht ganz ohnmächtig und wird zu 100% fremdgesteuert. Im Verkehr und im Fluss der Dinge hat jeder genügend Freiräume, wo er sich selbst verwirklichen und selbst was schaffen kann. Der Fluss ist dynamisch und elastisch, so dass es zu Interaktionen und Zusammenarbeit, aber nicht oder nur äußerst selten zu Unfällen kommt.

Statue des Königsvaters Norodom Sihanouk.
Statue des Königsvaters Norodom Sihanouk.
Unabhängigkeitsdenkmal.
Unabhängigkeitsdenkmal.

Ich war nur kurz in Kambodscha und ich habe auch nur die Hauptstadt gesehen. Ich habe ein sehr offenes und interessantes Land vorgefunden, was mich unglaublich neugierig macht einmal wiederzukommen um noch mehr zu entdecken.

Stand: 01.01.2015, 23.12.2018 | Text + Bilder: Camillo | v7
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